Angeregt durch Christians Beitrag habe ich mir mal Gedanken gemacht, wie ich anfing mit dem Eisenbahn-Fotografieren. Zunächst hatte ich so gut wie keine Informationen zum aktuellen Betriebsgeschehen. So stand ich am 8. Januar 1975 einen Tag in Freudenstadt Hbf und habe vergeblich auf eine Dampflok gewartet, während Eltern und Geschwister am Kniebis Ski gefahren sind.
(Die älteren unter Euch erinnern sich sicher an die Abschiedsfahrt der 38 1172 und 78 246 eine gute Woche vorher) Da der Rest der Familie sich in keiner Weise für Eisenbahn interessierte, war von da auch keine brauchbare Hilfe zur Informationsbeschaffung zu erwarten. Ausgestattet mit den ersten Bänden aus Obermayers Taschenbuchreihe, versuchte ich nun, möglichst viele Lokomotivtypen vor die Linse zu bekommen. In Freundenstadt konnte mir der Schalterbeamte immerhin den Hinweis geben, daß die Schmalspurbahn Mosbach – Mudau nicht mehr fuhr, die ich eigentlich gern am nächsten Tag besuchen wollte. Er empfahl mir stattdessen, nach Mannheim zu fahren.
In Heidelberg Hbf mußte ich umsteigen. Dort fotografierte den 456 102, bevor ich weiterreiste. Hätte ich geahnt, daß ich dort 23er hätte sehen können ...
Also verbrachte ich den 9.1.1975 in Mannheim Hbf. Mit dem „Drauflosknipsen“ war das natürlich anders als heute. Erstens kostete das damals ordentlich Geld, und zweitens war auch jedes Bild mit einiger „Arbeit“ verbunden. Mir stand damals lediglich so eine uralte Vorkriegs-6x9-Kamera zur Verfügung, bei der sogar Filmtransport und Spannen zwei Arbeitsgänge waren. Zudem hatte ein Film gerade mal 8 Bilder. Das bedeutete natürlich bei 8 Bildern dieselben Filmentwicklungskosten wie bei einem KB-36-Bilder-Film. Ein Farbabzug 7x10 kostete ungefähr 0,95 DM, ein S/W-Bild, soviel ich mich erinnere 0,45 DM. Das Taschengeld reichte in der Regel mit Mühe für die Filmentwicklung, Abzüge waren Luxus, den ich mir nur in Einzelfällen „gönnte“. Und gerade die Farbabzüge
(übrigens auf „Markenpapier“!) sind heute größtenteils Müll, weil hauptsächlich rot.
Was ich damals dann fotografierte, erscheint auf den ersten Blick unlogisch, läßt sich aber so erklären: Über Weihnachten hatte ich eine Bestandsaufnahme der bereits fotografierten Baureihen gemacht. Also war ich auf alles scharf, was mir noch fehlte, selbst wenn es Allerwelts-Baureihen wie 140 oder 216 waren. So „verbriet“ ich an jenem Tag 5 Filme, wobei immerhin 37 Aufnahmen herauskamen, die ich auch heute noch für ansehbar halte.
Sogar für diesen Schlafwagen der Internationalen Schlafwagen-Gesellschaft hatte ich ein Bild übrig (für den Schienenbus daneben allerdings keines). Der Schlafwagen hatte die Nummer 61 83 71-41 533-1, war also bei der FS Italia eingestellt, obwohl die CIWL ja die eigene UIC-Nummer 66 hatte – und die deutsche Anschrift „Internationale Schlafwagen Gesellschaft“ paßt irgendwie nicht so recht zu der italienischen Nummer ...
103 244 war damals noch fast neu:
160 014 war an diesem Tag Rangierlok in Mannheim:
Ein Highlight des Tages war für mich damals die 181 213. Warum? Sie war die erste Lok in „beige/türkis“, die ich sah! Aus heutiger Sicht finde ich andere Details an diesem Bild interessanter: 1.) Die Lok trug noch nicht den Namen „SAAR“, und 2.) natürlich die Postverladung auf dem Gleis daneben:
Von den 456 machte ich sogar mehrere Fotos. Der 456 106 wurde später noch umlackiert in „beige/türkis“. Das Fenster in der Gepäckraum-Tür war tatsächlich kaputt:
Der rote Fleck links unten auf dem Foto kommt übrigens von dem kleinen roten Fenster in der Rückwand des Fotoapparates, durch das ich beim Filmtransport auf die Nummer des nächsten Bildes achten mußte (Kurbeln auf Sicht!). Die Rollfilme hatten auf der Rückseite Papier, das mit den Bild-Nummern bedruckt war: In der Mitte 12 Nummern für 6x6, auf der einen Seite 8 Nummern für 6x9 und auf der anderen Seite 16 Nummern für 4,5x6. Da konnte es also passieren, daß durch das rote Fensterchen etwas Licht auf den Film kam. Dank heutiger Bildbearbeitung ließ sich der Fleck weitgehend entfernen.
Aus Obermayers Taschenbuch wußte ich immerhin schon, daß es von diesen Lokomotiven nur vier Exemplare gab. Die Umzeichnung von 181 004 in 181 104 irritierte mich damals, da Obermayer diese nicht erwähnte.
Obermayer schrieb lediglich, daß zwei Maschinen eine Widerstandsbremse und zwei eine elektrische Netzbremse hatten:
Von der ehemaligen 202 002 zeigte ich erst kürzlich Bilder, deshalb heute nur dieses:
Von 332 114 machte ich ein Bild, weil sie die erste ihrer Baureihe war, die mir vor die Linse kam.
Auch 216 sah man damals nicht in Stuttgart, so daß ich auch diese fotografierte:
Selbst die 140 hatte ich vorher noch nicht fotografiert – vor der Haustüre fuhren hauptsächlich 193 (!) und 150. Mit 140 162 erwischte ich dann allerdings genau diejenige Lok, die kurz darauf als erste Lok nach dem damals neuen Farbkonzept
umlackiert wurde:
Zum Abschluß noch ein Bild des 456 407, der seine Nummer auf der Kupplungs-Abdeckung stehen hatte:
Bleibt zum Schluß noch der Vergleich mit heute. Von den damals in Mannheim gesichteten Baureihen habe ich die 110, 141, 795 und 798 nicht fotografiert, das Bild einer 260 ist qualitativ nicht zeigenswert.
Und heute?
... fahren wieder fast 50-jährige Lokomotiven durch die Gegend
... sind Neubaulok-Prototypen kaum mehr von den Serienloks unterscheidbar
... gibt es Werbe-Lokomotiven, denen die Fans hinterherrennen,
früher hatten einige Nahverkehrstriebwagen Werbung, was die Fans damals eher störte als erfreute
... ist die Formen-Vielfalt bei den Lokomotiven und Triebwagen geringer, dafür gibt es eine damals nicht vorstellbare Farben-Vielfalt bei den (damals auch nicht vorstellbaren) zahlreichen EVU auf DB-Schienen.
... kann man sicher auch das „Glück“ haben, eine Lok zu fotografieren, die demnächst einem neuen Farbkonzept zum Opfer fällt.
... liegt der Reiz von alten Bahnsteig-Fotos doch wohl eher im „Drumherum“, den Gepäckkarren, Laternen usw. – in 30 Jahren amüsieren wir uns vielleicht über die dämlichen Willkommens-Figuren und ähnliche Designer-Glanzleistungen.
Ich denke, ein gutes Eisenbahn-Foto, egal ob auf einem Bahnhof oder in der Landschaft aufgenommen, wird wohl auch in 30 Jahren noch interessant sein.
Gruß Stefan
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2018:03:04:12:55:51.