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 04 - Historisches Forum 

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Heute vor 25 Jahren (m8B)

geschrieben von: Karabük

Datum: 29.07.04 19:00

28.07.79

Yolcati ist mal wieder ein gottverlassener Bahnhof irgendwo in der Pampa Ostanatolien. Hier verzweigt sich nach der Querung des Euphrats die Strecke Richtung Elazig, Tatvan, Van-See, Iran (die Verbindung war damals gerade frisch unterbrochen. Die islamische Revolution in Persien lag nur wenige Monate zurück) und in Richtung Kurdistan (Dyabakir, Kurtalan). Aufgrund lausiger Verbindungen auf der Schiene - der Van-Gölü-Expres fuhr nur alle zwei Tage, der Yolcu (Fernpersonenzug) Izmir-Kurtalan nur nachts – fuhren wir Dolmus (Sammeltaxi). Lt. Karte liegt Yolcati an der Fernstraße, wir also mitten in der anatloischen Hochebene aus dem Kleinbus gefallen. Die anderen Businsassen konnten es nicht glauben und wollten uns geradezu am Aussteigen hindern. Glück gehabt: Yolcati lag dort tatsächlich. Den Nachmittag dort verbracht, durchaus Betrieb mit diversen 56.0 und DE 24.
Hier im Osten waren die Bedingungen schon etwas härter. Neben uns Bahn -Herumhängern waren zahlreiche Hobos unterwegs, die wohl als Wanderarbeiter zum Teil auf den Güterzügen, sei es auf Plattformen, Bremserhäuschen oder in Leerwagen reisten (Hat jemand vom erlauchten Publikum vielleicht die Filme von Yilmaz Güney „Yol“ (Der Weg) oder „Sütü“ (Die Herde) gesehen?). Kurz und gut: Als unsre Rucksäcke nicht beaufsichtigt wurden, wurden wir beklaut. Glück im Unglück! Schmerzlichster Verlust der Reisewecker und nicht etwa die belichteten Filme (oder die Klopapierrolle).

http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/DE_56058_DE24186_Yolcati_280779klein_BChlond.jpg

Nachts mit dem Van-Gölü-Expres durch den Scheiteltunnel nach Baskil. Rest der Nacht mal wieder im Bekleme Salonu.

29.07.79 (Sonntag, heute vor 25 Jahren!)
Baskil ist ein Kaff in einem Seitental des Euphrats. Den Tipp, Baskil aufzusuchen, hatte Dg 53752 im Frühjahr 1979 von einem britischen Fan in Frankfurt erhalten.
Morgens zunächst der Van-Gölü-Expres.

http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/DJ_56021_Baskil_290779_bear-klein_BC.jpg


In Baskil windet sich die Strecke so hinauf, so dass wir einen Zug tatsächlich vier mal fotografieren konnten (indem wir denselben bei sengender Sonne zu Fuß mit Gepäck auf dem Rücken verfolgt haben und zwar durch Abschneiden der Serpentinen!).

http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/DL_56008_Baskil_290779_klein_BC.jpg
http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/DM_56008_Baskil_290779_klein.jpg
http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/FZ_560xx_Baskil_290779_klein_BC.jpg
In allen drei Aufnahmen ist dasselbe Viadukt zu erkennen, in der letzten unterhalb der Brücke über das trocken gefallene Flussbett!

Nach dieser Verfolgung waren wir so platt, dass wir den Rest des Tages nur noch im Bahnhof herumlungern konnten. Wiederum viele Hobos, unser Durstlage wurde von geschäftstüchtigen Jungen ausgenutzt: Die von uns mitgenommenen Zigaretten zur wohlwollenden Beeinflussung von Eisenbahnern haben wir gegen schnöde Salatgurken eingetauscht (die immerhin bauartbedingt hygienisch verpackt sind).

Immerhin weitere Züge mit 56.0.
http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/DR_56061oder41_Baskil_290779_klein_BC.jpg

56.041

Am Spätnachmittag mit dem Yolcu Kurtalen–Izmir in Richtung Malatya hinter 56.006. Der Lokführer fuhr recht scharf, insbesondere nach der Querung des Euphrat, um das Tal wieder zu verlassen. Plötzlich schleudert die Maschine (zumindest klang das so) unkontrolliert, dann eine Schnellbremsung, der Zug stand. Das Personal stand am Triebwerk und kratzte sich am Hinterkopf: Triebwerksschaden. Der Bolzen zwischen Voreilhebel und Lenkerstange (heißen die Teile so?) war verlorengegangen. Auf dem folgenden Bild sieht man, wie der Heizer am Zugende auf der Suche nach dem Bolzen ist. Immerhin war diese Suche erfolgreich, der Bolzen wurde wieder eingebaut, mit einem umgebogenen Nagel gesichert und weiter ging es.(Das beweist wiederum, dass eine Dampflok zwar ständiger Pflege bedarf, aber halt doch mit dem Hammer repariert werden kann!).

http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/DT_56006_Firat_290779klein_BC.jpg

Im Bild übrigens auch Dg 53752. Wer erkennt ihn?

http://johannes-chlond.de/BILDERBC/public_html/EA_56006_firat_290779-Klein_BC.jpg

Das Problem ist erkennbar!

Abends in Malatya in den Fernbus nach Kayseri, ca. 400 km, davon nicht unwesentliche Teile auf Staubpisten! Eine fantastische Reise teils bei Mondschein!

Und wie geht die Geschichte weiter? Würden zwei Nächste unterwegs die beiden Eisenbahnfreunde vollends platt machen? Was machen Ramadan und Darmerreger? Würde nach der bisherigen Baureihenvielfalt das Angebot überhaupt noch zu steigern sein?

Viele Fragen, die Antworten darauf demnächst (Ihr wertes Interesse vorausgesetzt) in diesem Forum. UND NOCH EINE BITTE: Ich habe zwar ein paar positive Rückmeldungen erhalten. Aber wenn der Leserschaft der Reisebericht zu textlastig ist, lasst mich das wissen. WIR KÖNNEN AUCH ANDERS! Und außerdem macht das Schreiben Arbeit!
Karabük, 29.07.2004





1-mal bearbeitet. Zuletzt am 2017:04:02:14:55:43.

Fantastische Aufnahmen ...

geschrieben von: Hans Dampf

Datum: 29.07.04 19:24

... und die Geschichte dazu ist das Salz in der Suppe. Deshalb nur weiter so!!!

Gruß



Hans Dampf

Inzwischen gibt es über 3000 Bilder aus den letzten 35 Jahren auf meiner Homepage.

http://www.dampflokseiten.de/Forum/Banner.jpg

Auf jeden Fall mehr...

geschrieben von: Mehlemer

Datum: 29.07.04 19:29

Hallo Karabük,

toller Bericht, freue mich schon auf die Fortsetzung. Bitte auf jeden Fall mit genauso viel gutem Text wie bisher !

Vielen Dank
Chris

Re: Auf jeden Fall mehr...

geschrieben von: Joachim Leitsch

Datum: 29.07.04 19:39

..und genausoviel Text - auch wenn's verdammt viel Arbeit macht, es erfreut immer wieder:))



RUHRKOHLE - Sichere Energie

seit dem 24.II.2022 bittere Wahrheit in Europa

Genau!

geschrieben von: Rolf Schulze

Datum: 29.07.04 21:10

Deine Serie ist Spitze, und die Texte sind "das Tüpfelchen auf dem i" !

Gruß Rolf


PS.: Wann kommt das Buch zur Serie? ;-)



Faszinierend

geschrieben von: JoVo

Datum: 29.07.04 21:39

Ich habe alle Folgegen angesehen und gelesen und bin wirklich beeindruckt. Alles ist neu und faszinierend.
Vielen Dank dafür
Jochen

Re: Genau!

geschrieben von: Joachim Biemann

Datum: 29.07.04 21:44

Hallo Karabük,

ich finde Deine Beiträge überhaupt nicht "textlastig". Wie zuvor gesagt: sehr lebendig geschrieben, also absolut lesenswert. Ich würde gerne noch viel mehr von Deinen Eindrücken und Erlebnissen erfahren, auch "textlich" gesehen. Dass das viel Arbeit macht, ist klar. Umso mehr: Danke!

Deine Benennung der ein wenig derangierten Steuerungsteile trifft zu, jedenfalls nach Lonorm, Tafel 2 (vom Schieberstangen-Kreuzkopf nach unten: Voreilhebel; am Kreuzkopf hier "umständehalber herabhängend", aber normalerweise waagerecht angeordnet: Lenkerstange).

Also: Nochmals Dank für Deine beeindruckenden Beiträge - gerne mehr davon.

Es grüßt
Joachim Biemann



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[Zitat aus einem PC-Handbuch von DELL]

Re: Genau!

geschrieben von: CASI

Datum: 29.07.04 22:54

Genial :-)
Bitte mehr. Die Geschichte dazu macht es erst richtig interessant und beim Anschauen der bekannten (unbekannten) Lokomotiven... - Das hat was.

Re: Genau!

geschrieben von: Karabük

Datum: 30.07.04 10:00

Vielen Dank an alle! Die Zustimmung sollte mir Ansporn sein. Weitere Hinweise zur Reise siehe unter Dg53752 weiter oben (d.h. unten im literarischen Sinne). Vieleicht fällt uns ja noch das eine oder andere Detail der Reise ein. Wenig davon war bislang schriftlich dokumentiert, mit Ausnahme von ein paar Fresszetteln. Die Dokumentation war für mich auch Motivation.
Wer hätte denn noch alte Reiseberichte zu bieten?
Grüße
Karabük

Re: Genau!

geschrieben von: Kurt

Datum: 30.07.04 10:19

Macht wirklich Freude, solche Reiseberichte zu lesen. Weiter so!
Das war bestimmt ein Wahnsinnserlebnis damals.

Mich fasziniert, daß der Bolzen wirklich gefunden werden konnte. Was hätte man den improvisieren können, wenn nicht? Ob man ggf. die kühne Idee entwickelt hätte, es mit Teilen vom Bremsgestänge zu versuchen?
Wieder zeigt es, es gab mal Loks und Fahrzeuge, nur mit etwas Handwerksgeschick, Allerweltsmaterialien (Nagel) und Feinmechanikerwerkzeug (Vorschlaghammer) ließen die sich wieder instand setzen. Was bleibt einem heute, wenn die Traktion schlagartig aussetzt?

Gruß,



Kurt