Hallo,
will mal wieder weiter zur 97 501 schreiben:
Nachdem wir den Kessel vom Rahmen abgebaut und neben der Lok aufgestellt hatten – ein alter Schleifbock diente als Rauchkammerauflage – wurde er von uns innen und außen entrostet um ihn auf Schäden untersuchen zu können.
Bei den Wanddickenmessungen durch einen erfahrenen Kesselsachverständigen stellte sich heraus dass alle Bleche 1mm dicker waren als auf den Zeichnungen angegeben, so dass div. flächige Abrostungen keine Probleme darstellten und nur durch verschleifen egalisiert zu werden brauchten.
Auch die Rohrwände waren in ihren Maßen noch gut innerhalb der Toleranzen der DV946.
Wir fanden dann für den so vorbereiteten Kessel einen Sponsor, der sich bereit erklärte dessen Aufarbeitung in Meiningen zu finanzieren. Auch der ehem. Besitzer unserer 97 501 blieb der Lok verbunden und stellte uns die ganzen dazu notwendigen Kesselrohre zur Verfügung. Damit - glaubten wir damals - war schon recht früh ein wichtiger Teil der Lok, den wir nicht so ohne weiteres selbst in einen abnahmefähigen Zustand hätten aufarbeiten können, betriebsfertig.
In unserer „Lokhalle“ in Reutlingen wurde parallel die gut transportierbaren „Kleinteile“ (Ventile, Luftpumpe, Lichtmaschine, Injektoren, ...) der Lok aufgearbeitet. Dazu musste unsere Werkstatt Schritt für Schritt auf- und ausgebaut werden, denn natürlich brauchten wir Werkbänke, Werkzeuge, Bohrmaschinen, Dreh- und Fräsmaschinen – einfach alles was man zu so einer umfassenden Lokreparatur braucht.
Ein paar Einblicke in unsere Werkstatt in den 90er Jahren, als sie schon ganz gut ausgestattet war.
Hier halfen uns die verschiedensten Firmen in Reutlingen mit ausgemustertem Material – so manches wurde da dann sogar extra für uns ausgemustert. Denn wir zeigten diesen Leuten natürlich auch immer, was und wie wir mit den Maschinen arbeiteten, das machte meist so einen Eindruck dass man uns immer mal wieder fragte ob wir vielleicht dieses oder jenes noch brauchen könnten.
Die im Vordergrund liegenden Steuerungsteile hatten bis zu dem zu sehenden Zustand schon viele Stunden entrosten und schleifen erfordert um sie jetzt zu vermessen und und die Lagerbohrungen aufarbeiten zu können.
Unsere große Drehbank war eigentlich auf dem Weg zur Schrottverwertung, weil der Vorbesitzer damals glaubte, noch bares dafür zu bekommen ;-) Da sie aber schon auf dem LKW stand, brachte er sie dann doch uns.
Auch bei der DB konnten wir so manches überzählige günstig erwerben,
unter anderem diese vier 25t-Spindelhebeböcke auf dem Bild oben, die zur Verschrottung anstanden und damals in den 90ern nur zweihundert Mark kosteten. Die stellten wir zunächst „in die Ecke“ und arbeiteten sie nur in kleinsten Schritten über fünfzehn Jahre „so nebenher“ auf. Auf dem Bild sehen wir deren ersten Einsatz nach der TÜV-Abnahme mit einer etwas leichteren Lok. Der eine oder andere Kamerad begab sich aber noch etwas vorsichtig drunter.
Als eine Reutlinger Maschinenfabrik ihren Standort verlagerte, „durften“ wir die alten Hallen ausräumen, aber nur weil wir zusagten, wirklich alles abzubauen und mitzunehmen, was der neue Nutzer nicht mehr haben wollte. So mussten wir da unter vielem anderen auch mehrere Kranbrücken mit ihren Fahrbahnträgern und –stützen abbauen, da halfen uns dann unsere guten Kontakte zu einem Reutlinger Kranunternehmen.
Natürlich erforderte diese Werkzeug- und Maschinenbeschaffung auch immer einen erheblichen Arbeitsaufwand beim Abbau vor Ort und beim Wiederaufstellen in unserer Werkstatt.
An der Lok bauten wir dann nach dem Abheben des Kessels sämtliche weiteren Teile der Steuerung, Schieber, Kolben, Bremsgestänge, Federung und Ausgleichhebel ab um möglich gute Zugänglichkeit zum Zahnradtriebwerk zu bekommen.
Aber jetzt weiter mit dem Ausbau des Zahnradantriebes
Das Treibzahnrad sitzt in einem eigenen Hilfs-Rahmen (hier blau markiert) innerhalb des Hauptrahmens und wird mit einer Blindwelle und Zwischenzahnräder (Vorgelege) angetrieben. Die Öffnung in der Rahmenversteifung rechts neben den Zahnrädern dient eigentlich zum Ausbau des Kuppeleisen-Bolzens, wenn denn der Bolzen sich mit Hammer und Durchschlag bewegen lässt.
Blindwelle und Treibzahnradwelle sind über ihre jeweiligen Achslager im Hauptrahmen mit Kuppeleisen verbunden. Auf dem Bild hängt das eigentlich senkrecht nach oben stehende Kuppeleisen nach unten. Die Bolzen in den Lagergehäusen müssten gezogen werden um diese Kuppeleisen rechts und links zu lösen, um zum einen die Blindwelle nach oben und die Treibzahnradwelle mit dem Zahnradrahmen und der zweiten und dritten Achse nach unten ausbauen zu können.
Leider waren besagte Bolzen mit keinem uns zur Verfügung stehenden Mittel zu bewegen, hier hatten die Jahrzehnte im Freien ganze Arbeit geleistet. Da das ganze im Rahmeninneren und an kaum zugänglichen Stellen zu leisten war, konnten auch nur begrenzte Druckkräfte ausgeübt werden. So mussten wir die besagten Bolzen irgendwie mit dem Schneidbrenner beikommen, was am ehesten an den Blindwellenlagern denkbar war. Dort konnten die obenliegenden Achsgabelstege abgebaut und die Stellkeile gezogen werden. Nachdem wir dann noch ein paar Gabelschlüssel zurechtgebogen hatten, konnten die Halbschalen der Blindwellenlager im eingebauten Zustand auseinandergeschraubt und so genügend Platz geschafft werden um mit dem Schneidbrenner den Bolzen beiderseits des Kuppeleisen-Kopfes zu durchtrennen. Das Abheben der Blindwelle war dann wie der Siegeszug einer gewonnenen Schlacht - aber der "Krieg" war noch nicht gewonnen.
Die Bilder zeigen natürlich den heutigen, aufgearbeiteten und wieder zusammengebauten Zustand.
Bei Gelegenheit gehts weiter.
Gruß aus Lichtenstein (Württ.)
Michael
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