Un’ avventura italiana - Besuch im italienischen Eisenbahnmuseum Pietrarsa
Im März dieses Jahres haben meine Frau und ich ganz spontan einen Kurzurlaub auf der Insel Ischia im Golf von Neapel gebucht. Eigentlich sollte der Urlaub nur zum Entspannen und Sonne tanken nach dem Winter dienen. Beim Studieren eines Reiseführers bin ich dann aber über eine kleine Notiz gestolpert, die besagtem, dass unweit von Neapel das „Museo nazionale ferroviario di Pietrarsa“, also das nationale italienische Eisenbahnmuseum von Pietrarsa besichtigt werden kann. Ein wenig Recherche im Internet ergab, dass der Besuch trotz der Fährüberfahrt von der Insel und einer Bahnanreise zu dem in der Peripherie von Neapel gelegenen Ort möglich sein sollte. Also wurde die beste aller Ehefrauen für einen Tag zum Ausruhen in ein Thermalbad geschickt, während ich das morgendliche Schnellboot zum Festland bestieg. Allerdings sollte es tatsächlich doch nicht so reibungslos ablaufen, wie im Vorfeld geplant.
Laut Fahrplan hätte ich eine gute Stunde gehabt, um in Neapel vom Beverello Hafen zur S-Bahn-Station am Hbf zu gelangen, eine Strecke von etwa 1,5 km. Mehrere Buslinien befuhren diese Strecke, und selbst zu Fuß sollte dies zu schaffen sein. Allerdings dümpelte das Schnellboot dann eine gefühlte Unendlichkeit vor dem Anleger herum, ehe die Fahrgäste aussteigen konnten, weil wegen Bauarbeiten im Hafen mehrere Landungsstege nicht benutzbar waren und erst die Abfahrt anderer Schiffe abzuwarten war. Die Baustelle zog sich bis vor den Hafen hin, was bedeutete, dass die Bushaltestellen irgendwohin verlegt worden waren. So beschloss ich, die Strecke zu Fuß zurückzulegen und begab mich, mit einem Stadtplan in der Hand auf den Weg.
Etwa auf der Hälfte der Strecke kam ich plötzlich an das Ende eines Trauerzuges. Dieser bestand aus drei Mercedes der S-Klasse, umgebaut zu Pick-Ups, auf deren Ladeflächen der Sarg bzw. Dutzende von Kränzen lagen. Das hätte eigentlich kein Problem dargestellt, aber um die drei Autos hatten sich geschätzte 100 Trauergäste geschart, die sich mit den Autos würdevoll im halben Fußgängertempo vorwärts bewegten. Da ich ein Durchkommen als aussichtslos einschätzte, bog ich rechts in eine Seitenstraße ab um den Trauerzug zu umgehen. Mann, was war ich froh, dort nicht zur Nachtzeit entlang laufen zu müssen. Dies war das Neapel, was einem immer wieder in den Schreckensberichten im Fernsehen vorgeführt wurde: In den Ecken türmten sich die Müllberge, der Gestank war teilweise „umwerfend“ und die dort umherlaufenden Menschen hätten wunderbar Charakterdarsteller im nächsten Mafia-Film abgegeben. Immer den Turm der Kirche San Pietro ad Aram im Visier bin ich schließlich doch noch, wie ich hoffte, rechtzeitig am Hbf angekommen. Ich musst6e nur noch Fahrkarten kaufen und mein Abfahrgleis herausfinden, dann konnte es losgehen. Dafür hatte ich noch rund 30 Minuten zur Verfügung.
Nun war mir von früheren Italienurlauben bekannt, dass man Fahrkarten für Straßenbahnen und Busse üblicherweise am Tabakwarenkiosk erwirbt. Deshalb war ich schon erstaunt, dass an einem Fahrkartenschalter das Schild „tutti biglietti“ prangte. Ich nahm an, dass der Fahrkartenkauf in Neapel halt anders geregelt ist als z.B. in Mailand und stellte mich ans Ende der zum Glück kurzen Schlange. Als ich an der Reihe war, musste ich erfahren, dass es an jenem Schalter tatsächlich alle Fahrkarten gibt, alle, mit Ausnahme derer für den Nahverkehr!
Also schnell an das Ende der Schlange beim gegenüberliegenden Tabakladen angestellt. Als der letzte Kunde vor mir den Schalter freimachte, fiel mein Blick auf eine kleine handschriftliche Notiz, die besagte, dass dem Tabakhändler die Fahrkarten ausgegangen sind… Wieder nix! Zum Glück erhielt ich die Auskunft, dass möglicherweise der Buchladen am anderen Ende des Querbahnsteiges noch Fahrkarten hätte. Nach einem Spurt dorthin gab es das erste Erfolgserlebnis des Tages: für je 1,10 € konnte ich die Fahrscheine für Hin- und Rückfahrt erwerben. Auf meine Frage, ob der Händler auch wüsste, wo mein Zug nach Pietrarsa abfahren sollte, gab es als Antwort: Nicht von diesem Bahnhof, sondern vom Bahnhof der schmalspurigen Vesuv-Bahn, einige hundert Meter entfernt. Zum Glück schenkte ich dieser Auskunft keinen Glauben und machte mich im Hbf auf die suche nach meinem Gleis. Langsam näherte sich der Zeiger der Uhr meiner Abfahrtszeit.
Mein Zug sollte 11.06 Uhr abfahren, leider hatte ich mir nicht gemerkt, welchen Zielbahnhof der Zug haben sollte. Der Aushangfahrplan kannte einen um 11.06 Uhr einen von Gleis 7 abfahrenden Zug, Ziel war ein mir bis dahin unbekannter Ort. Da ich wusste, dass ich mit einer S-Bahn abfahren sollte folgte ich den Wegweisern zum unterirdischen S-Bahnhof, wo ich feststellen musste, dass es dort nur 4 Gleise gab. Also wieder zurück zum Kopfbahnhof zum dortigen Gleis 7. Dort wartete allerdings eine Garnitur aus Schnellzugwagen mit einer modernen Ellok. Und auf den Zuglaufschildern las ich Orte, die nördlich von Neapel liegen, also konnte dies nicht mein Zug sein.
Schnell zurück zum S-Bahnhof wusste dann der dritte befragte Reisende, dass ich die S-Bahn der Linie 1 vom Gleis 1 nehmen musste. Am Gleis 1 fand ich jedoch nirgendwo den berühmten Automaten zum Entwerten des Fahrscheins. Also wieder zurück zur Eingangshalle, wo mir zwei Polizisten in ihren feinen Uniformen entgegen kamen. Auf die Frage nach dem Entwerter erhielt ich jedoch keine Antwort, sondern die freundliche Bitte: „I vostri documenti, per favore!“ Meine Ausweisdaten mussten dann noch per Funk mit der Leitstelle abgeklärt werden, ehe ich wieder freigelassen wurde. Meinen Zug sah ich schon ohne mich abfahren, als mich eine sehr hübsche Neapolitanerin ansprach und erklärte, dass sie meine Frage an die Polizisten mitbekommen habe, dann zeigte sie auf eine versteckte Ecke der Halle, in der vier Entwerter auf die Benutzung warteten.
Einen Sprint wie an jenem Tag zu den Automaten und dann zum Gleis 1 habe ich zuletzt vor rund 40 Jahren bei den Bundesjugendspielen hingelegt und wurde mit dem zweiten Erfolgserlebnis des Tages belohnt: Mit dem Zeigersprung 11.06 Uhr enterte ich den Triebwagen, die Tür schloss sich hinter mir und der Zug setzte sich in Bewegung. Da fiel mir ein, dass ich vor dem Einsteigen gar keine Zeit mehr hatte, mich zu vergewissern, ob dies auch tatsächlich mein Zug ist. So fragte ich zwei sympathisch aussehende ältere Herren, die mir zum Glück bestätigen konnten, dass ich im richtigen Zug saß! Mit den Beiden kam ich anschließend in ein nettes Gespräch, bei dem sich herausstellte, dass beide pensionierte Eisenbahner, ein Lokführer und ein Zugführer, sind. Seit ihrer Pensionierung verabreden sie sich jedes Jahr 1x zu einem Wiedersehen und einem Besuch im Eisenbahnmuseum. Mit einer netten Unterhaltung erreichte ich dann endlich mein Ziel.
Nach so viel Erzählung nun aber ein paar Bilder:
Das Museum liegt unmittelbar am Haltepunkt Pietrarsa San Giogio a Cremano an der Strecke von Neapel entland der Küste nach Portici.
In dem Büro, in dem man die Eintrittskarte (5,00 € p.P.) löst, hängt diese Luftaufnahme, die einen guten Überblick über die Lage des Museums und dessen Gebäude gibt. Das Museum ist in den Gebäuden eines ehemaligen, 1840 errichteten Ausbesserungswerkes für Dampflokomotiven untergebracht. Das Museum wurde nach der Schließung des AW im Jahre 1975 erstmals eröffnet und im Dezember 2007 nach einer längeren Schließung wegen Renovierung der Gebäude in der derzeitigen Form in betrieb genommen.
Die Dampflokomotiven sowie einige Drehstromelloks haben ihre Plätze in der ehemaligen Richthalle des AW gefunden. Am Eingang wird der Besucher vom Nachbau der 1A1-Dampflok „Bayard“ nebst einigen Wagen begrüßt. Dies soll den Eröffnungszug der Bahnstrecke Neapel – Portici darstellen. Von meinen beiden Eisenbahnern erfuhr ich hinter vorgehaltener Hand, dass die an den deutschen „Adler“ erinnernde „Bayard“ gar nicht die erste, sondern die zweite Lok der Strecke war. Als man 1939 den Nachbau anging, gab es von der Lok des Eröffnungszuges keine Pläne mehr, wohl aber von der „Bayard“, die man dann nachbaute.
Die Anordnung der Lokstände zu beiden Seiten der Schiebebühne erinnert stark an das RAW Meiningen.
Auf einigen Ständen findet man Drehstromelloks aus der Frühzeit der Elektrifizierung in Italien, die sowohl von der FS als auch von der Privatbahn Ferrovia Alta Valtellina stammen.
Die übrigen Stände sind mit insgesamt 25 Dampfloks verschiedener Baureihen der FS belegt, eine Ausnahme ist die rechts im Bild zu sehende Nr. 22, die von der Privatbahn Ferrovia Monza – Molteno – Oggiono (MMO) stammt. Bei der anderen Maschine handelt es sich um die 290.319 der FS.
Hier sind 910.001 und 835.001 zu sehen. Leider ist die eine Seite der Schiebebühnengrube durch Geländer abgetrennt, so dass man die oftmals in 2. Reihe stehenden Fahrzeuge nicht aus der Nähe betrachten kann.
Hier tummeln sich 851.110, 477.011 und 910.001, wobei letztere durch die ungewöhnliche Verkleidung der Front auffällt.
Auf diesem Bild sind 835.001 und 899.006 zu sehen. Letztere sieht auf den ersten Blick aus wie eine preußsche T 3, ist es aber nicht. Die Lok stammt aus Österreich und ist in der Folge des 1. Weltkrieges in Italien gelandet. Die 899.006 war die letzte Werklok des AW Pietrarsa.
Neben der 905.032 sieht man 625.030, die durch die ungewöhnliche Anordnung der Schieber horizontal neben den Zylindern auffällt.
Nochmals die 905.032 mit der 680.037, einer der Standard-Schnellzugloks der FS.
Im Museum sind zwei Zahnraddampfloks ausgestellt, für die bestimmungsgemäß Rampen mit Zahnradgleisen eingebaut wurden. Die 370.022 fuhr auf meterspurigen Gleisen.
Eine Weiterentwicklung der auf Bild 11 gezeigten Baureihe 680 war die 685, die im Museum durch die 685.068 vertreten ist. Mit diesen Loks wurden bis in die 70er Jahre Schnellzüge im Raum Neapel bespannt.
Die Mehrzahl der Güterzugdampfloks der FS hatte die Achsfolge 1’D. In großer Zahl gebaut wurde davon die Baureihe 735, von der die Nummer 128 im Museum überlebt hat.
Eine Ausnahme von dem zuvor geschriebenen war die Baureihe 480 mit der Achsfolge 1’E, die für die Brennerstrecke gebaut wurden und dort bis zu deren Elektrifizierung im Einsatz waren. Danach versahen sie untergeordnete Dienste in Norditalien.
Zwei weitere 1’D Güterzugloks sind 736.114 und 741.137. Erstere ist erkennbar amerikanischen Ursprungs und kam im Zuge des 2. Weltkrieges nach Italien. Loks dieses Typs wurden von den US-Streitkräften in ganz Europa eingesetzt und verblieben nach Kriegsende in großer Zahl z.B. auch in Griechenland und der Türkei. Die FS übernahmen die Maschinen als Baureihe 736. Die 741.137 ist eine Vertreterin der in Italien verbreiteten Franco-Crosti-Loks.
Hier lohnt es sich, die Lok etwas näher zu betrachten. Die von den Ingenieuren Franco und Crosti aus der Baureihe 740 entwickelte Lok besitzt einen zweiten Kessel unterhalb des eigentlichen Dampferzeugers, in dem das Kesselspeisewasser durch den Abdampf bis fast auf Siedetemperatur vorgewärmt wird. Charakteristisch für diese Loks ist der seitlich am Kessel liegende Schornstein.
Eine weitere Detailaufnahme der 741.137, auf der der Vorwärmerkessel gut zu erkennen ist.
Die ehemalige Kesselschmiede des AW beherbergt eine Auswahl der in Italien „Littorine“ (Einzahl Littorina) genannten Triebwagen, die es mit Benzin- und Dieselmotoren gab. Außerdem sind einige Elloks und Reisezugwagen ausgestellt.
In Italien gab und gibt es eine Vielzahl von Privatbahnen. Von der ehemaligen FCV stammt die Ellok L 903, die nach der Verstaatlichung der Bahn die FS Nummer E.400.001 erhielt.
Die Reisezugwagen sind u.a. durch einen Vertreter der „Cento Porte“ (Hunderttürer) genannten Abteilwagen und einen Gefängniswagen vertreten.
In einem Nebenraum der Kesselschmiede stehen drei mit Gleichstrom von 3 kV betriebene Elloks. Stellvertretend für diese gewaltigen Maschinen sei hier die E 326.004 gezeigt.
Eine Maschinenhalle wird zur Präsentation einiger Dieselloks genutzt. Die ersten für die FS gebauten Großdieselloks sind mit D.341.1016 und der hier gezeigten D.342.4011 vertreten.
Von der deutschen Firma Breuer wurden diese einfachen Gefährte unter der Bezeichnung „Lokomotor“ gebaut, die hierzulande ausschließlich bei privaten Gleisanschlussbesitzern Verwendung fanden. In Italien hatte sogar die Staatsbahn einige Exemplare, von denen die 207.020 den Weg nach Pietrarsa gefunden hat. Bei diesem Fahrzeug fehlt im Vergleich zu den mir bekannten deutschen Lokomotoren der Adhäsionsverstärker. Dabei konnten zwei mit Drehspindeln verstellbare Hubzylinder zwischen den neben den Rädern sichtbaren ebenen Flächen und dem Rahmen des abzuschleppenden Wagens verklemmt werden, wodurch ein Teil des Wagengewichts auf den Lokomotor übertragen wurde und die Reibung erhöhte.
Zuletzt noch ein Blick in das Freigelände des Museums. Über das zwischen den Gebäuden in Bildmitte hindurchführende Gleis wurden die auszubessernden Loks dem AW zugeführt. Über die im Vordergrund liegende Segmentdrehscheibe wurden sie zur links im Bild sichtbaren Kesselschmiede geleitet, wo die Kessel abgenommen und bearbeitet wurden. Von dort gingen die Fahrwerke in die im Rücken des Fotografen gelegene Richthalle, wo sie nach der Aufarbeitung der Kessel wieder komplettiert wurden. Die Gebäude auf der rechten Seite des Bildes beherbergten die Schlosserei und die Werkzeugmaschinen.
Leider schließt das montags bis freitags geöffnete Museum schon um 13.30 Uhr, so dass ich mich bei meinem Rundgang am Ende doch arg beeilen musste. Auch habe ich einen Souvenirladen und die Möglichkeit, sich zumindest an einem Automaten mit Getränken zu versorgen, sehr vermisst. Die wenigen Aufsichtspersonen waren jedoch ausnahmslos freundlich und auskunftsbereit. Mit einem S-Bahn-Triebwagen wie dem hier in Gegenrichtung fahrenden Ale 724.034 bin ich schließlich wieder zurück nach Neapel gefahren und habe mir im Hbf erst einmal eine Pizza und einen vino rosso genehmigt.
Ich hoffe, der Rundgang durch das Museum, bei dem ich nur einen Querschnitt der ausgestellten Fahrzeuge zeigen konnte, hat gefallen.
Grüße aus der Pfalz
Hubert
Edit: Bildlink berichtigt
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:09:27:06:19:56.