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Re: ? zur Farbgebung preußischer Lokomotiven

geschrieben von: awerner

Datum: 09.03.11 09:42


Hallo Matthias,

ich verfolge diese Farbdiskussion auch schon eine ganze Weile, und war bisher ebenfalls der kanonischen Ansicht gefolgt, dass die Farbgebung der frühen GFN-Modelle Murks sei und man heutzutage die alleinige Wahrheit besässe. Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich hatte auf einer Messe mal Horst Fleischmann darauf angesprochen, und er hat sich damit entschuldigt, dass Fleischmann das ursprüngliche froschgrün/feuerrot genau so an einer preussischen Museumslok abgenommen hatte (welche?). Dann war die Entwicklung der Modellfarben so:
1. Frühe Fleischmann-Preussen: Langkessel, Stehkessel, Führerhaus froschgrün; Fahrwerk und Räder feuerrot.
2. danach: Olivgrün = RAL 6008, Fahrwerk feuerrot.
3. heute: Olivgrün = RAL 6008, Fahrwerk = braunrot RAL 8012 der Güterwagen.
So handhaben das mittlerweile auch alle anderen Modellhersteller.

Was spricht dafür, was dagegen? Die Erkenntnis, dass die preussische Farbgebung sich auf lediglich fünf verwendete Farbtöne reduzieren liesse (schwarz, olivgrün, braunrot, nussbraun, grau), geht auf Klaus Weibezahn zurück. Er hat Mitte der 80er Jahre die damals gerade wieder zugänglich gemachten, zeitgenössischen 1:10-Modelle im Hamburger Bahnhof (heute im DTM Berlin) untersucht. Das hat er dann in einer Modellbahnzeitschrift publiziert, die genaue Stelle kann ich mal heute abend heraussuchen. Diener hat's übernommen - so weit, so gut.

Probleme:
1. Farben können nachdunkeln. Mir ist keine wissenschaftliche Untersuchung der chemischen Eigenschaften der Originalfarben bekannt, mit denen damals die 1:10-Modelle gestrichen wurden. Ausserdem hat sich z.B. Dirk Wenzel auch die Modelle dort angesehen, und findet, das (heutige, nachgedunkelte) Rotbraun läge eher bei RAL 3011, sei also eher rot als braun.
2. Die 1:10-Modelle im DTMB sind zweifellos wichtige Zeitzeugen - aber in welcher Werkstatt genau wurden sie hergestellt? Die preussischen Eisenbahndirektionen hatten grosse Autonomie und weitgehende Unabhängigkeit in der Materialbeschaffung. Was in Berlin gegolten hat, muss nicht notwendigerweise in Cassel oder Stettin so gewesen sein, ausser es wäre durch übergeordnete Vorschriften so vorgegeben gewesen (z.B. Musterblätter). Für Farben sind bekanntlich bis heute keine Vorgaben in Form von Mustertafeln erhalten.
3. Der fachkundige Zeitzeuge Kurt Pierson schreibt in dem o.g. Buch in einem separaten Abschnitt zur Farbgebung sehr deutlich, Rahmen und Räder seien leuchtend rot gestrichen gewesen.
4. Es gibt farbige Darstellungen (Gemälde, Fabrikansichten etc., z.B. Hanomag), wo das Fahrwerk preussischer Loks eindeutig nicht braunrot, sondern eher feuerrot ist.
5. Bei Museumsloks ist es immer problematisch, zu entscheiden, ob und wann diese evtl. nachlackiert wurden. Wenn man z.B. die seit der Gründung im Deutschen Museum München befindliche LANDWÜHRDEN der GOE ansieht (die die Fahrzeuge nach preussischem Muster beschafft hat), so ist dort das Fahrwerk nicht braun- sondern hellrot, das Grün aber ein dunkles olivgrün. ich kann mir eher nicht vorstellen, das diese Lok nach der Aufarbeitung durch Krauss 1906 jemals nachlackiert wurde. Sie ist jedenfalls im Einklang mit Piersons Beschreibung.
[www.ssdw.de]

Fazit: die 1:10-Modelle in Berlin sind ein Indiz, aber kein Beweis. Ein solcher steht bis heute aus.

Grüsse,

Andreas



9-mal bearbeitet. Zuletzt am 2011:03:09:11:54:52.
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